Liebe Mitchristen!

Jahr für Jahr ist das Osterfest eine richtige Herausforderung. Ostern ist nicht so sichtbar, nicht so greifbar. Leid und Tod liegen uns näher, sie sind mitunter handgreiflich spürbar.

Am Ende des Johannesevangeliums wird versucht, diese „Handgreiflichkeit“ auch im Blick auf Jesu Auferstehung zu vermitteln. Der Apostel Thomas darf seine Hand in die Seitenwunde Jesu legen (Joh 20,27). Nun erst glaubt er, was ihm die übrigen Apostel schon berichtet hatten. Eigenartigerweise lobt ihn Jesus aber nicht, sondern er preist all diejenigen selig, denen dies so nicht möglich ist. All jene, die seine Auferstehung nicht so handgreiflich spüren und sehen können: „Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). Ist nicht diese Seligpreisung unsere alltägliche Wirklichkeit? Wo können wir Auferstehung sehen? Haben wir nicht eher täglich Leid und Passion vor Augen, auch wenn wir selbst derzeit äußerlich in einem friedlichen Umfeld leben dürfen?

Es ist tatsächlich und wirklich ein großer Vertrauensschritt, der da gegangen werden muss. Die Ostererfahrung legt sich uns nicht einfach in den Schoß. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir geradezu intensiv darum ringen müssen. Und dies ein Leben lang und immer wieder aufs Neue.

Der ursprüngliche Schluss des Markusevangeliums (Mk 16,8) spricht vom Erschrecken, Entsetzen und der (Ehr)Furcht der ersten Auferstehungszeuginnen. Dieser Bericht ging mir in den letzten Jahren sehr nahe. Die mutigen Frauen haben ihre Zeit gebraucht, bis sie all das verstehen und dann eben auch weitersagen konnten. Aber sie haben es getan! Sie haben es weitererzählt. Sie haben es letztlich gelebt und mit ihrem Lebenszeugnis weitergegeben. So geschieht es seit 2000 Jahren bis heute. Um dieses Lebenszeugnis ist mir auch auf Zukunft hin nicht bange. Es wird sich auch weiterhin durch eine persönliche Lebenserfahrung, die auf dem Zeugnis der Schrift aufbauen darf, durchsetzen können. Dabei dürfen wir alle genauso, wie einst die ersten Zeuginnen und Zeugen, die Zeit brauchen, um die Auferstehung, das Geschehen von Ostern wirklich zu verstehen. Im Zuge dessen werden wir uns verändern. Wir werden über all das sichtbare Leid hinaus uns den Blick für das Leben bewahren. Selbst in der allergrößten Verzweiflung wird es möglich sein – so glaube ich – dass wir den Blick auf den Gott des Lebens nicht verlieren und es zutiefst ahnen, dass er uns in all dem in seiner göttlichen, liebenden Hand hält. Hier denke ich an Jochen Klepper (der angesichts der Bedrängnis den Freitod wählte) und viele andere und ich bin davon überzeugt, dass sie sehr intensiv in ihrer letzten Lebensstunde an diesen auferstandenen Jesus glaubten, auch wenn sie ihn nicht so unmittelbar wie einst Thomas sehen konnten in der Stunde, in der sie jeweils ihre Entscheidung getroffen haben.

Je mehr wir in dieses Verstehen hineinwachsen, desto mehr werden wir größer von Gott denken, größer von seiner bedingungslosen Zuwendung und Hingabe für uns Menschen. Wir werden ihn nicht begreifen und wir werden vieles nicht begreifen, bis an unser Lebensende. Aber wir dürfen ihm und seiner bedingungslosen Zuwendung und Hingabe glauben – wohlwissend, dass auch dies uns nicht einfach in den Schoß fällt. Doch so viele Lebenszeugnisse ermutigen mich zum Osterfest in (Ehr)Furcht zu sagen: Das Leben siegt! Das Leben siegt auch über dieses irdische Leben hinaus.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe und gesegnete Ostern!

Für das Pastoralteam

Klaus Friedrich, Diakon