Den Weihnachtsgruß ziert in diesem Jahr ein Bild des Italienischen Malers Lorenzo Lotto. Die Heilige Familie ist in warmen hellen Tönen dargestellt, in einem interessanten Kontrastspiel zwischen Licht und Schatten. Maria und Joseph beten das Kind an, das auf einem Laken in einem Weidenkorb liegt. Davor liegen ein Brotsack und ein kleines Fass, die an die bevorstehende Flucht nach Ägypten erinnern. Vor der Tür öffnet sich die Landschaft. Hirten weiden ihre Schafe. Drei Engel besingen die Szene. Auf der linken Seite, hinter dem Pfosten und im Schatten sieht man ein Kruzifix, das vorwegnehmend an das Leiden Jesu erinnert. Das Holz rechts unten, wo sich die Unterschrift des Autors befindet, ist ein traditioneller Hinweis auf das Kreuz, aber auch auf die Arbeit des hl. Josef. An der Stallwand lehnt eine Leiter. Zwei Tauben sitzen rechts oben unter dem Dach-vorsprung. Jesus kommt in der rauen Wirklichkeit des unwirtlichen Viehstalls mitten in der Nacht zur Welt. „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da stieg dein allmächtiges Wort, Herr, vom Himmel herab, vom königlichen Thron“ (Eingangs Vers zur Christmette). In der größten Dunkelheit lässt Gott uns in seinem Sohn das Licht der Welt aufstrahlen. Der Weidenkorb erinnert an die Kindheit des Mose (Ex 2). Das Matthäus-Evangelium stellt Jesus als neuen Mose, als endgültigen Offenbarer, Gesetzgeber und Lehrer dar. Er ist der Gute Hirt, in dem Gott uns sucht. Lassen wir uns von ihm finden? In seinem menschgewordenen Sohn teilt Gott das Los aller, die heute vor Krieg, Vertreibung, Not, Unmenschlichkeit fliehen – auch zu uns. Lehnen wir sie ab? Verschließen wir Jesus nicht die Tür, der in diesen Menschen hilfesuchend bei uns anklopft! Der Stall symbolisiert das zerfallene Haus Davids, das Jesus als Messias wieder aufbaut. Heute geben viele Ehrenamtliche ihr persönliches Glaubenszeugnis und helfen tatkräftig mit, unsere Kirchengemeinden aufzubauen und lebendig zu halten. Mit dem Kruzifix gibt der Maler uns den Hinweis, wie er Weihnachten versteht: Jesus der Sohn Gottes ist der Retter und Erlöser aller Menschen. Er stößt die Tür zum Leben auf und überwindet Sünde und Schuld, so dass die Welt wahren Frieden erfährt. Lorenzo Lotto hat seiner Komposition die Leiter hinzugefügt. Hier klingt die Entäußerung des Gottessohnes an, die auch unsere Gesinnung prägen soll: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ (Phil 2, 5-11). Wir dürfen an die Himmelsleiter im Traum Jakobs denken (Gen 28, 11-17): Jesus ist das Tor zum Himmel, er ist der Weg, auf dem wir zu Gott finden. Mit Jesus ist die ganze Menschheit zum Vater erhöht (vgl. Joh 1,51). So kommt unsere Sehnsucht nach ewigem Leben ans Ziel. Und die zwei kleinen Tauben? Sie beobachten die Szene vielleicht so, wie heute viele Menschen Weihnachten erleben: etwas befremdet, distanziert. Werden sie die Möglichkeit nutzen, dem eigentlichen Geschehen etwas näher zu kommen und die Bedeutung der Geburt Jesu besser zu verstehen? Lassen wir Weihnachten nicht verfliegen! Entdecken wir das Geschenk, das Gott uns in seinem Sohn macht. Lassen wir uns auf die Menschwerdung Gottes ein. Werden wir selber zu neuen Menschen nach dem Vorbild Jesu! Nehmen auch wir uns Zeit, ihn anzubeten, zu loben und zu preisen, denn daraus quillt eine Freude, welche die Welt uns nicht geben kann.

Mit Diakon Klaus Friedrich, unseren Pfarramtssekretärinnen Silvia Blankenhorn und Anita Friedrich, wünsche ich Ihnen ein frohes, gnadenreiches Weihnachtsfest und für das neue Jahr 2019 Gottes Segen und seine spürbare Nähe, Ihr Pfarrer Michael Stork.
Lorenzo Lotto, Anbetung 1523 46×34, 9 cm National Gallery of Art, Washington
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